Überblick

Hier finden Sie einen Einblick in einzelne Projekte.

Konstanze Arens
Lehrkraft an der Musikschule Siegen und Singer-Songwriterin,
leitet einen interkulturellen Chor in Kooperation mit einem Jugendzentrum

Nora Pempel: Im Rahmen von Heimat: Musik arbeiten Sie mit einem Chor mit Jugendlichen. Wie sieht das Konzept des Unterrichts aus?
Konstanze Arens: Das Projekt findet in Kooperation mit einem Jugendzentrum, der BlueBox Siegen, einmal wöchentlich als offenes Konzept statt. Offenes Konzept heißt in diesem Zusammenhang auf ganzer Linie offen: Alter, Herkunft, Vorbildung und Repertoire. Niemand verpflichtet sich dazu jede Woche zu kommen und daher bleibt es ganz offen, was wir gemeinsam singen, was ich sehr musikalisch finde. Es gibt aber eine Kerngruppe aus 14- bis 20-Jährigen, die sich in diesem Projekt mittlerweile beheimatet fühlt und jede Woche zum Unterricht kommt.

NP: Wie sieht die Arbeit inhaltlich aus?
KA: Inhaltlich geht es bei meiner Gruppe um chorischen Gesang. Den Chor vermittele ich wie ein Harmonieinstrument. Ganz besonders wichtig ist mir bei der Chorarbeit, dass sich das Hören und das musikalische Spektrum der Beteiligten erweitert. Ich versuche den Teilnehmenden die Funktion des Chorsingens zu vermitteln. Wir schauen auf den Klang jedes Einzelnen und arbeiten auch mit Stimmtraining, Experimenten und Improvisation, damit die Jugendlichen einen Zugang zum inneren Hören bekommen und sie gleichzeitig auch das äußere Hören auf die anderen Chormitglieder verfeinern. Dadurch verändern sich die Hörgewohnheiten generell, weil die Jugendlichen am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet eine Dur-Terz zu singen. Und weil sie merken, dass der Chorklang auseinanderfällt, wenn sie nicht zusammen atmen. Dadurch entsteht außerdem eine unheimlich hohe Wertschätzung für das Chorsingen. Und natürlich – das ist vielleicht der Haupteffekt – passieren dadurch Aktionen auf der sozialen Ebene innerhalb der Gruppe, die ohne musikalischen Einsatz niemals passiert wären. Ich versuche den Unterricht so zu gestalten, dass es zwar offen bleibt, aber durch die Hintertür etwas ganz Verbindendes entsteht. Und das merken die Jugendlichen natürlich, auch in anderen musikalischen und sozialen Kontexten, und das ist ein Grund, warum diese Kerntruppe seit Jahren so stabil ist.

NP: Was leistet dieses Projekt hinsichtlich der Integration für Geflüchtete?
KA: Die Gruppe ist gelebte Integration sowohl auf sozialer, kultureller als auch musikalischer Ebene. Ich habe sofort ein pädagogisch didaktisches Netz zur Hand ihnen über die Gesangsarbeit mit dem Körper eine Sicherheit zu geben. Die Musik ist unsere Eintrittskarte. Ich achte in Zusammenarbeit mit der Bluebox darauf, wie es den Chormitgliedern geht und gehe dem Grund nach, warum sie möglicherweise nicht mehr zur Probe kommen oder ob sie in einer schwierigen Lage sind.

NP: Was macht Ihren Unterrichtsstil aus?
KA: Alles was in unserem Geist oder Körper passiert, wird durch das Singen beeinflusst und wirkt auf das Singen zurück. Und auf der Ebene fällt es mir sehr leicht, die Proben offen zu konzipieren. Es ist im Unterricht so, dass ich frage, ob jemand ein Musikstück vorschlägt. Die Rückmeldungen nehme ich auf wie Bälle, die ich zurückspielen kann. Diese Art des Arbeitens liegt mir, denn ich spüre, wo jemand musikalisch steht und hole die Person da ab. Auch wenn es eine Gruppe ist. Dann breche ich das runter auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Das passt auch besonders gut in diese Arbeit im interkulturellen Kontext. Es geht darum zu versuchen, Leute auf einer für sie nachvollziehbaren Ebene zu bündeln und in neunzig Minuten etwas Tolles und Greifbares hinzukriegen.

NP: Wo merken Sie Effekte Ihrer Arbeit auf das Leben der Teilnehmenden außerhalb der Musikschule?
KA: Wenn zum Beispiel jemand ein Problem oder eine Sorge hat, schaltet sich gern auch mal die ganze Gruppe ein und gibt Tipps, wie man damit umgehen kann. Es gibt auch Teilnehmende, die vor allem einen organisatorisch-kommunikativen Wert für die Gruppe haben. Der Chor bietet den Jugendlichen die Möglichkeit sich weiterzuentwickeln, auszuprobieren und auszutauschen. Und diese Plattform für die Menschen zu schaffen, das halte ich für meinen Hauptjob.

Interviews mit beteiligen Lehrkräften

Anlässlich des fünfjährigen Jubiläums wurden einige Lehrkräfte aus den Musikschulen in NRW zu ihrem Projekt interviewt. Im Gespräch mit der Projektleiterin stellen sie ihre Arbeit an der Musikschule mit Geflüchteten und ihre Gedanken und Perspektiven vor.

Benedikt Köster-Wachs

In diesem Moment habe ich die Entscheidung getroffen, dass ich einen Beitrag dazu leisten muss, diesen Menschen einen guten Start in neues Leben zu ermöglichen.

Benedikt Köster-Wachs

Benedikt Köster-Wachs unterrichtet an der Musikschule Dortmund Klavier und hat sich schon vor Projektbeginn für Geflüchtete engagiert.

Stefanie Bloch

Die Kinder kamen voll Freude und Lernbereitschaft gerne und regelmäßig in den Unterricht. Fortschritte sowohl im Sprachbereich als auch im musikalischen Verständnis sind stetig gewachsen.

Stefanie Bloch

Stefanie Bloch ist Lehrkraft an der Musikschule Lengerich.

Peter Brand

Für uns in Hattingen sind diese Projekte ein sehr wichtiger Baustein unserer Bildungsarbeit. Danke an den Landesverband, dass wir diese Projekte durchführen können. Durch sie ist Hattingen bunter und vielfältiger geworden.

Peter Brand

Leiter der Musikschule Hattingen

Beteiligte Musikschulen

In dieser Übersicht sehen Sie die Musikschulen, die zurzeit mit einem oder mehreren Projekten im Rahmen von Heimat: Musik beteiligt sind.

Standorte A bis Z

Projektarchiv

Berichte von Projekten aus 2018

Das Projekt „Viele Sprachen – Viele Stimmen“ der Musikschule Herford findet in Kooperation zwischen der Grundschule Landsberger Straße und der Musikschule Herford statt. Jedes Kind der Grundschule darf am Projektchor teilnehmen und herausfinden, was es alles mit seiner Stimme machen kann.

Ein Großteil der Schülerinnen und Schüler haben einen Migrationshintergrund, aus diesem Grund fällt es allen Beteiligten leicht auch neu zugewanderte Kinder schnell und problemlos in die Klassengemeinschaft zu integrieren. Über das gemeinsame Singen wird das Sprechen der deutschen Sprache nebenbei erworben, im Vordergrund steht aber das gemeinsame Erleben und Spaß haben. Am Chorprojekt nehmen 31 Kinder aus zwölf Klassen teil. Einmal in der Woche treffen sich die Gruppen und proben gemeinsam mit der Stimmbildnerin und Chorleiterin Bettina Sußdorf. Die Chorleiterin gestaltet die Stunden interessant und abwechslungsreiche und wird schon morgens sehnsüchtig von den Kindern erwartet.

Bei der Winterfeier im Dezember 2017 hatte der Chor seinen ersten gemeinsamen Auftritt. Durch diese Möglichkeit, sich selbst in der Gruppe auf der Bühne zu erleben, sind viele Kinder über sich hinausgewachsen. Sie treten jetzt auch im Klassenverband mit einem anderen Selbstbewusstsein auf und können immer besser auch ihre eigenen Wünsche und Ideen vor der Gruppe vertreten. Das gemeinsame Musizieren wirkt sich zudem positiv auf die Atmosphäre im Schulalltag aus, auch über die eigenen Klassengrenzen hinweg. Alle empfinden sich als Gemeinschaft, das gemeinsame Singen stärkt dieses Gefühl beim Einzelnen und in der Gruppe.

Die Schülerin Angelina sagt über das Projekt: „Frau Sußdorf kommt immer dienstags. Am Anfang singen wir uns ein. Wir singen auf einem A oder auf einem I. Wenn alle da sind dann singen wir Lieder. Ein Lied heißt Tomatensalat, da singen wir die ganze Zeit nur das Wort Tomatensalat. Das macht Spaß. Vor Weihnachten haben wir ein Lied gesungen das hieß ‚Engel gucken schon ums Eck‘. Das Lied war sehr schön und ganz kurz. Nach uns kommt noch eine Gruppe zum Singen.“ Und die Schülerin Lika erlebt es so: „Der Chor macht mir viel Spaß und man lernt viele neue Dinge, wie man singen kann – wie hoch und wie tief. Mir gefällt besonders das Lied mit dem Stimmakrobat. Wir singen ‚Ich bin der Springakrobat‘ und ‚Ich bin der Beste auf der Welt.‘ Manche können noch nicht so gut deutsch sprechen aber das macht nichts. Beim Singen fällt das nicht auf.“

Musikschule Herford

Thomas Steingrube
musikschule@herford.de

in Kooperation mit der Grundschule
Landsberger Straße Herford
Theresa Nolte
theresa.nolte@herford.de

Website

Inspiriert durch das Projekt MüzikNRW des Landesverbandes der Musikschulen in NRW zur „Interkulturellen Arbeit an Musikschulen“ begann die Musikschule Herten im Jahr 2015, sich in diesem Bereich intensiver zu engagieren. Nachdem die Musikschule Herten bereits erfolgreich ein Projekt mit der Willkommensklasse einer Grundschule durchgeführt hatte, wurde im Schuljahr 2016/2017 ein ähnliches Projekt zur Sprachförderung für ältere SchülerInnen in Kooperation mit dem Städtischen Gymnasium Herten unter Leitung des Musikschullehrers Marcel Sander und Sarah Weber, Klassenlehrerin der Internationalen Klasse konzipiert. „Da bald deutlich wurde, dass die Schülerinnen und Schüler noch Hemmungen hatten, sich in der deutschen Sprache auszudrücken – obwohl die schriftlichen Leistungen immer besser wurden – kamen wir mit Hilfe der Musikschule zu diesem Projekt“, berichtet Sarah Weber. „Es ist wichtig, dass alle einen sichereren Umgang mit der deutschen Sprache erlernen, mehr aus sich herauskommen und sich letztlich ihre Sprachkompetenz verbessert. Bislang wird seitens aller Lehrkräfte von einer positiven Entwicklung im sprachlichen Bereich berichtet. Der Redeanteil, selbst zu Beginn sehr unsicherer Schülerinnen und Schüler, hat sich ebenso wie das Selbstbewusstsein und die Artikulation stark verbessert. Alle freuen sich jede Woche auf die Musikstunde.“

Ein Beispiel: Die Schülerinnen und Schüler konnten, unkompliziert mit Hilfe eines Handys und Bluetooth-Lautsprechers, ihre Lieblingsmusik im Unterricht vorstellen, ohne Vorgaben zur Art der Stücke. Es sollten Fragen beantworten wie „Wie heißt die Gruppe / der Musiker?“, „Aus welchem Land stammen die Musiker?“, „Wovon handelt das Lied?“, „Welche Instrumente sind zu hören?“, „Warum gefällt mir das Stück?“. Nachdem die anfänglichen Sprachhemmungen überwunden waren, haben alle ihre gewählten Lieder präsentiert, manche sogar mehrere. Dabei war zu beobachten, dass sowohl die Präsentationen als auch die Bereitschaft zum Zuhören immer besser wurden. Auch der Austausch über die Stücke und die gegenseitige Hilfestellung bei fehlenden Begriffen haben sichtlich zur Sprachkompetenz beigetragen und es wurde nicht zuletzt von den Schülerinnen und Schülern als sehr wertschätzend empfunden, ihre Lieblingsmusik präsentieren zu dürfen.

Die ca. 20 Schülerinnen und Schüler der Internationalen Klasse im Alter von 10 bis 13 Jahren kamen aus sieben unterschiedlichen Nationen, der Leistungsstand war sehr heterogen: Kindern, die aufgrund des Krieges erst ein Jahr zur Schule gegangen sind oder in der lateinischen Schrift noch nicht alphabetisiert waren bis hin zu Kindern, die fließend Englisch sprachen. Gerade hier war es wichtig verbindende Elemente zu finden, was durch die Zusammenarbeit mit der Musikschule gut gelungen ist. Inzwischen konnten die Jugendlichen in den Regelunterricht integriert werden und das Kooperationsprojekt wird in der neuen Internationalen Klasse fortgeführt.

An der Musikschule Herten gibt es neben dem Projekt der Internationalen Klasse noch das internationale Ensemble „Musica Arkadaş“, Instrumentalunterricht für Geflüchtete, das interkulturelle Chorangebot „One Voice“, das Projekt „Erdmännchen“, eine musikalische Früherziehung für geflüchtete Kinder im Alter zwischen vier und sechs Jahren sowie ein Chorangebot für Jugendliche und Erwachsene.

Musikschule Herten

Musikschule Herten
Sabine Fiebig
musikschule@herten.de

Website

Das Projekt „Gitarrengruppe“ der Fritz-Busch-Musikschule findet in Kooperation mit dem Jugendzentrum „BlueBox“ statt, einem Ort, der keine Unterschiede in Herkunft und Alter kennt. Jeder Besucher des Hauses darf an dem Unterricht teilnehmen und herausfinden, ob die Gitarre das Instrument ist, das ihn begeistert.

Die Form des Unterrichts gestaltet sich auch nach knapp zwei Jahren weiterhin als spannend und besonders: Jede Unterrichtsstunde entwickelt sich anders, was schon allein damit zusammenhängt, dass ein häufiger Wechsel der Gruppenteilnehmer stattfindet. Viele Geflüchtete konnten beispielsweise aufgrund einer neuen Arbeitsstätte oder eines Umzugs nicht mehr an dem wöchentlichen Unterricht teilnehmen, dafür kamen zu anderer Zeit wieder einige neue Interessierte dazu, sodass immer mindestens zwischen sechs und acht Teilnehmende anwesend sind. Wobei jedes neue Mitglied sofort in die Gruppe integriert wird. Ein Beispiel dafür ist Bek, der vor dem letzten Konzert in Siegen erst zweimal im Unterricht war, dennoch mit viel Freude in der Gruppe die Stücke „Despacito“ und „Viva la Vida“ dem Publikum präsentierte. Bei diesem Konzert, das für die meisten aus der Gitarrengruppe der erste Auftritt überhaupt war, ist die Gruppe enorm zusammengewachsen. Die Jugendlichen waren vor, besonders aber auch nach dem Konzert enorm engagiert im Unterricht und zeigten eine große Motivation, neue Techniken auf der Gitarre zu lernen.

Die Teilnehmenden sind aktuell zwischen 12 und 17 Jahre alt. Jeder hilft dem Anderen, sobald einer etwas nicht so schnell versteht oder über die Woche hinweg nur wenig Zeit hatte zu üben, sodass alle auf dem gleichen Stand sind und sich keiner ausgeschlossen fühlt. Der Leiter des Gitarrenkurses Justin Bien bietet der Gruppe an, ihm per Mail oder WhatsApp bestimmte Musikwünsche zu senden, um diese für die nächste Woche vorzubereiten. Besonders auffallend ist an dieser Stelle, dass die Jugendlichen nicht die Lieder aus ihren Herkunftsländern spielen möchte, sondern viel eher die Musik aus ihrem Alltag. Ein weiteres wichtiges Merkmal des Unterrichts ist, dass viel Wert daraufgelegt wird, die Schülerinnen und Schüler auf ein mögliches Selbststudium der Gitarre vorzubereiten. Jeder soll die Möglichkeit haben, auch wenn er/sie aus verschiedenen Gründen nicht mehr an dem Unterricht teilnehmen kann, neue Stücke auf der Gitarre zu spielen.

Nach wie vor ist das Ziel der Stunde, jedem die Gitarre etwas näherzubringen und die Begeisterung für dieses Instrument weiterzugeben. Im Unterricht sollen die Jugendlichen die Möglichkeit haben, ihre individuellen Probleme zu vergessen, so dass das gemeinsame Musizieren in den Vordergrund rückt.

Fritz-Busch-Musikschule der
Universitätsstadt Siegen

Angelika Braumann
musikschule@siegen.de

in Kooperation mit der
BlueBox Siegen

Website