Heimat: Musik / Veranstaltungen

2. Fachtag Heimat: Musik

„Heimat: Musik“ – Zweiter Fachtag zur Interkulturellen Öffnung von Musikschulen

Wie kann interkulturelle Öffnung gelingen? Wie können Musikschulen diese kultur- und gesellschaftspolitische Aufgabe umsetzen? Und welche Mittel sind dafür nötig? Der zweite Fachtag „Heimat: Musik“ des Landesverbandes der Musikschulen nahm diese Fragen in den Fokus.

Die kulturelle Teilhabe ist ein wichtiger Faktor zur Integration von Menschen aus anderen Kulturräumen. Diese Aufgabe nehmen die Musikschulen in NRW seit einigen Jahren verstärkt in den Fokus und bieten an zahlreichen Standorten u.a. musikalische Projekte für Geflüchtete an. Der Landesverband der Musikschulen in NRW (LVdM NRW) fördert, finanziert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, viele dieser Projekte und Angebote: Insgesamt stellte das Land NRW seit Ende 2016 dafür über eine Million Euro zur Verfügung – damit die Projekte vor Ort und darüber hinaus auch Fortbildungen, Workshops, Austauschplattformen und Fachtage für die interkulturelle Arbeit mit Geflüchteten durchgeführt werden können.
Den zweiten NRW-Fachtag der Initiative „Heimat: Musik“ veranstaltete der LVdM NRW im Oktober in der Musikschule Hamm. Dort ging es um die konkrete Umsetzung der interkulturellen Öffnung in der täglichen Arbeit. Die 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Fachtags näherten sich dem Thema aus drei verschiedenen Blickwinkeln: Aus Sicht von Institutionen im Allgemeinen, dann konkreter gefasst aus der Perspektive von Musikschulen und weiterhin über die Globale Musik als musikalisches Genre.

Inez Boogaarts (Zukunftsakademie NRW – ZAK) benannte in ihrem Impuls zum Thema „Öffnung von Institutionen“ Migration und Digitalisierung als die beiden prägenden gesellschaftlichen Entwicklungen unserer Zeit. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, benötigen Kultureinrichtungen vor allem den Mut und den Willen zur Veränderung. Dies kann unter Umständen auch bedeuten, dass Machtstrukturen verändert werden müssen, dass Qualität neu definiert und auch die Kommunikation nach außen verändert wird. Dazu ist es nicht erforderlich, „das Rad neu zu erfinden, sondern mit kleinen Schritten“ anzufangen, so Boogaarts. Nicht zuletzt sei es in diesem Zusammenhang wichtig, dabei das eigene Stammpublikum mitzunehmen. Die ZAK unterstützt Einrichtungen darin, diesen Weg zu beschreiten, sie bietet Beratung und Diversity Trainings an. Derzeit identifiziert die Akademie Kultureinrichtungen, die sich strukturell gesellschaftlich öffnen möchten, vernetzt diese und dokumentiert die Veränderungsprozesse als Erfahrungsberichte für andere.
Im anschließenden Workshop zur Öffnung von Institutionen stellte man zunächst fest, dass es vielerorts Ansätze zur Veränderung gibt, der gesellschaftliche Wandel sich aber noch nicht ausreichend in den Institutionen abbilde. Ziel sei, etwa in Bezug auf Musikschule, eine offene, experimentierfähige Einrichtung als Ort für Begegnungen darzustellen, für gemeinsames Musizieren von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Herkunft. Betont wurde, dass es neben Fortbildungen für das Personal einer grundsätzlichen Aufgeschlossenheit der Menschen bedarf – und das gleichzeitig auch die Offenheit und der Mut der Verantwortungsträger in Politik und Verwaltung entscheidend für einen gelingenden Wandel sind. Unterstützend könnten etwa so genannte Kultur-Scouts zum Einsatz kommen, die koordinierende Aufgaben in der Kommune übernehmen und als Brücke zwischen Bildungsinstitution und Verwaltung agieren.

Andreas Heuser (Musiker, Instrumentalpädagoge und Komponist, Experte für Globale Musik) betonte in seinen Ausführungen zur „interkulturellen Öffnung von Musik“ dass es dabei zentral um die Offenheit der Menschen gehe. Im Fokus stehe der sehr persönliche Umgang mit der Musik in der Begegnung. Hier müssen alle Seiten füreinander offen sein, Neues entdecken und Grenzen überwinden wollen – auf der Grundlage der jeweils eigenen kulturellen Wurzeln und Erfahrungen, die man keineswegs leugnen oder außer Acht lassen soll.
Die Teilnehmenden des anschließenden Workshops formulierten, dass über eine positive, mutige und flexible Haltung seitens der Lehrenden eine „musikalische Mehrsprachigkeit“ etabliert werden könnte – also die selbstverständliche Beherrschung mehrerer, kulturell unterschiedlicher Musiksysteme. Diese Mehrsprachigkeit könne als Bindeglied zwischen den Kulturen fungieren und sei letztlich Voraussetzung nicht nur für ein konfliktfreies, sondern vor allem für ein bereicherndes Miteinander. Neben der rein persönlichen Offenheit benötigt dieser Prozess Zeit für pädagogische Entwicklung, eine erweitere Methodik zum freien gemeinsamen Musizieren sowie die Unterstützung der Kommune und von Geldgebern. Nur auf diese Weise, so das Fazit, kann die Musik ihr gesellschaftliches, verbindendes Potential entfalten.

Für die interkulturelle Öffnung von Musikschulen, so hob Ruddi Sodemann (LVdM NRW) in seinem Impulsvortrag hervor, braucht es Arbeitsplätze und entsprechende Geldmittel sowie die dazugehörige Ausbildung in globaler Musik. Darüber hinaus ist eine funktionierende Netzwerkarbeit in der Kommune zur Erreichen der Zielgruppe enorm wichtig. Er betonte, dass die Musikschule als Bildungsträger den kommunalen Auftrag habe, allen Menschen einen Zugang zu Musik zu ermöglichen. Dies impliziere, dass Musikschulen eine offene, interessierte Haltung zu den pädagogischen Erwartungen der verschiedenen Elterngruppen entwickeln. Sodemann formulierte außerdem die These, dass das Primat westlicher klassischer Musik an Musikschulen in Frage gestellt werden müsse. In der folgenden Diskussion wurde mehrfach betont, dass die interkulturelle Öffnung ein „großes Pfund“ sei, es die Musikschule enorm bereichere – man machte sich Mut, dem Ganzen eine strukturelle Verstetigung zu geben und das gemeinsamen Musizieren im interkulturellen Ensemble in den Mittelpunkt zu stellen. Gerade Letzteres sei auch für das Kollegium sehr wertvoll.
Im Workshop zur interkulturellen Öffnung von Musikschulen wurde u.a. herausgearbeitet, dass Musikschulen in puncto Integration in der Kommune unverzichtbar sind bzw. sich durch Integrationsprojekte unverzichtbar machen können. Diese Übernahme von Verantwortung durch die Musikschulen müsse besser sichtbar gemacht werden, vor allem durch mehr öffentliche Konzerte in der Kommune und die dazugehörige Öffentlichkeitsarbeit. In der Konsequenz könne die Verantwortung der Kommune und eine kontinuierliche Unterstützung für diese Arbeit direkter eingefordert werden. Essentiell sei es natürlich, das Kollegium „mitzunehmen“, durch praxisnahe Fortbildungen, zu denen die Bedarfe individuell abgestimmt und mit professionellen Dozenten ausgearbeitet werden.

Beeindruckende musikalische Beiträge zum Fachtag boten Teilnehmende eines Sprachkurses aus Selm (VHS in Kooperation mit der Musikschule im FoKuS Selm) und das Ensemble der Städtischen Musikschule Hamm unter der Leitung von Arif Salih Tosun mit dem Programm „Klänge aus Anatolien“. Organisiert und durchgeführt wurde der Fachtag von Viola Boddin (Referentin für „Heimat: Musik“ im Landesverband der Musikschulen in NRW). Weiterführende Informationen zum Projekt sind zu finden unter www.heimat-musik.de.

Hedwig Otten, erschienen in der NMZ (Ausgabe Dezember 2018)

Interkulturelles Training

Seit 2016 fördert der Landesverband der Musikschulen in NRW, finanziert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft, Projekte und Angebote zur Weiterentwicklung der kulturellen Vielfalt an Musikschulen in NRW. An den Musikschulen in NRW werden aus dieser Förderung bereits über 150 Projekte durchgeführt und bieten so über 2.000 Menschen die Möglichkeit, am Musikschulleben teilzunehmen, was ohne die finanzielle Unterstützung nicht möglich wäre.

Im Rahmen dieser Förderung möchte der Landesverband der Musikschulen in NRW aber auch den Musikschulkollegien die Möglichkeit geben, sich über neue Themenfelder, Aufgaben und vielleicht auch Herausforderungen auszutauschen und fortzubilden.

Dazu wurden die sogenannten „Interkulturellen Trainings“ entwickelt, welche seit Oktober 2016 an Musikschulen in NRW interessierte Kolleginnen und Kollegen zu den Themen „Kulturelles Miteinander – Mit wem hab ich’s eigentlich zu tun?“ und „Interkulturelle Musikpraxis“ informieren.

Der erste Teil ist pädagogisch geprägt: Es wird diskutiert, was es für verschiedene Kulturbegriffe gibt und warum es unmöglich ist, eine allgemeingültige Definition dafür zu finden. Welche verschiedenen Beziehungen bestehen zwischen Migration und Kultur und warum stellt die Zusammenkunft beider so eine Herausforderung in unserer Gesellschaft dar? Auch werden die Folgen von Traumata, die Migration mit sich bringen kann, in den Mittelpunkt gestellt und die Gruppe untersucht, welche Auswirkungen dies auf die Einfügungsfähigkeit in ein kulturelles Konstrukt haben kann.

Der Aufbau der Vorträge lässt dabei sehr viel Raum für die Mitgestaltung der Teilnehmenden. Immer wieder gibt es Phasen, in denen in Übungen zum Austauschen und Diskutieren angeregt wird und dabei der Wechsel von der eigenen in eine bislang unbekannte Perspektive ermöglicht wird. Zudem werden ganz praktische Tipps zur Elternarbeit vermittelt.

Bei der „Interkulturellen Musikpraxis“ sind alle Musikschullehrkräfte eingeladen, die orientalische Musik mit ihren Instrumenten, Rhythmen und Maqams durch das gemeinsame Musizieren selbst kennenzulernen. Dabei wird nicht nur das Nachmittags-Tief überwunden, sondern auch sichergestellt, dass die soeben besprochenen Inhalte sich erst einmal setzen können. In diesem Teil werden Spielweisen erarbeitet, Instrumente vorgestellt und ausprobiert, der musiktheoretische Hintergrund orientalischer Musik kurz vorgestellt und vor allem: Gemeinsam musiziert!

Begleitet wird der Tag von der Integrationstrainerin Nuray Ateş-Ünal und dem Musiker und Musikpädagogen Koray Berat Sarı (Baglama), die viel Erfahrung mitbringen und auch spontan auf individuelle Themenwünsche eingehen können. So ist jedes „Interkulturelle Training“ anders und auf seine Art spannend!

Durch die Förderung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft ist es möglich, dieses Training für Musikschulen kostenlos anzubieten. Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Interesse haben!

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Nuray Ateş-Ünal

hat Erziehungswissenschaften, Philosophie und Psychologie an der Ruhr-Universität Bochum studiert und ist seit 2009 bei der IFAK e.V. – Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe – Migrationsarbeit in Bochum tätig. In ihren Arbeitsbereichen befasst sie sich insbesondere mit migrationsspezifischen Erziehungs- und Bildungsprozessen in der multikulturellen Einwanderungsgesellschaft und initiiert sämtliche Beratungs-, Interventions- und Evaluationsmaßnahmen.

Koray Berat Sarı

2009 Studium an der „Hochschule für Musik und Tanz Köln“, Standort Aachen mit dem Hauptfach Gitarre. (Abschluss: 2013 Bachelor, 2015 Master). Schon mit jungen Jahren gab er viele Konzerte und arbeitete mit vielen Bands und Ensembles.

Seit 2010 ist er regelmäßig als Jurymitglied bei „Jugend musiziert“ tätig. Außerdem brachte er dem Publikum mehrerer Gitarrenfestivals die Baglama nahe. Sarı arbeitet mit verschiedenen Künstlern mit verschiedenen Instrumenten, ist Mitglied in verschiedenen Musik-Projekten (Solo, Roye Ma, Duo SariGaik, SinCo-Pa Trio), unterrichtet und konzertiert weiterhin und leitet Seminare, wie auch in den Landesmusikakademien NRW und Berlin. 2015 war er gemeinsam mit Kemal Dinc Dozent beim Zertifikatslehrgang Baglama, der erstmals in Deutschland stattgefunden hat.

Das „Interkulturelle Training“ richtet sich an das Kollegium von Musikschulen und Interessierten und kann von öffentlichen Musikschulen in NRW beim LVdM kostenlos „gebucht“ werden.

>>> Flyer mit weiteren Informationen

Fortbildungsangebote von Kooperationspartnern

Weitere Veranstaltungen und Fortbildungen finden Sie in unserem Netzwerk und auf der Internetplattform des MusikInformationsZentrums integration.miz.org.